Edgar Ludwig Gärtner

Edgar Ludwig Gärtner

Donnerstag, 16. September 2010

Biologismus: Sag, wie hältst Du’s mit den Genen



von Edgar L. Gärtner

Dummheit verbreitet sich durch Ansteckung, nicht durch Vererbung

Versuchen wir, es ganz neutral zu sagen: Thilo Sarrazins Aussage, die Bevölkerung Deutschlands werde durch unqualifizierte Zuwanderung durchschnittlich dümmer, denn Intelligenz sei zu 50 bis 80 Prozent erblich, hat in den deutschen Medien einige Verwirrung hervorgerufen. Vollendet wurde die Konfusion durch Sarrazins Hinweis auf ein vermeintliches „Juden-Gen“. Nach Art einer durch ein Signal in Bewegung gesetzten geifernden Pawlowschen Hundemeute  haben sich unsere Mainstream-Medien darauf gestürzt und versucht, Sarrazin eine Affinität zum nazistischen Rassenwahn zu unterstellen. Dabei unterschlugen sie, ganz nebenbei gesagt, dass die Nazis ihren Rassebegriff eher religiös als biologistisch begründeten, indem sie den Juden, im Unterschied zu den Ariern, den Besitz einer Seele absprachen. Wenn Thilo Sarrazin sich im 8. Kapitel seines umstrittenen Buches tatsächlich positiv zum Sozialdarwinismus und zur Eugenik äußert, entspricht das lediglich der bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts gültigen Programmatik aller sozialdemokratischen Parteien. Statt sich damit selbstkritisch auseinanderzusetzen, haben sich die Sozialdemokraten inzwischen stillschweigend von einem durchaus nicht nebensächlichen Teil ihrer Programmtik verabschiedet und damit nicht unwesentlich zur aktuellen Konfusion beigetragen.


Diese Konfusion rührt meines Erachtens auch  daher, dass bis heute kaum jemand so recht weiß, was Gene sind und wie sie arbeiten. Ich selbst lernte in meinem Biologiestudium, ein Gen sei ein Abschnitt auf dem Makromolekül Desoxyribonukleinsäure (DNA), d.h. der in den Chromosomen verpackten Erbsubstanz, dessen Abfolge von Bausteinen (Basenpaaren) durch kürzere Ribonukleinsäuremoleküle (RNA) kopiert und dann in speziellen Zellkörperchen (Ribosomen) in eine Abfolge von Aminosäuren (Bausteine von Proteinen) übersetzt wird. Wir prägten uns das Dogma „DNA -> RNA -> Protein“ ein, wonach eine Rückwirkung von den Proteinen des fertigen Organismus (Phänotyp) auf das Erbgut (Genotyp) ausgeschlossen sein sollte.
Inzwischen haben zahlreiche Untersuchungen gezeigt, dass das so einfach nicht ist. Es kommt bei der Vererbung von Merkmalen und Potenzialen weniger auf einzelne Moleküle an, sondern vielmehr auf den Kontext, in dem sie stehen und agieren. Anlagen für bestimmte Eigenschaften und Fähigkeiten können höchstens in Ausnahmefällen einzelnen DNA-Abschnitten zugeordnet werden. Vielmehr wirkt bei der Ausprägung von Merkmalen und Begabungen in der Regel eine Vielzahl auf verschiedene Chromosomen verteilter DNA-Abschnitte zusammen. Obendrein wurde das Dogma „DNA -> RNA -> Protein“ durch etliche Beobachtungen widerlegt. Abschnitte des genetischen Codes können in Abhängigkeit von der Lebensweise seines Trägers an- und abgeschaltet werden. Es gibt, im Prinzip, durchaus auch eine Vererbung erworbener Eigenschaften. Damit beschäftigt sich heute eine besondere wissenschaftliche Disziplin, die Epigenetik. Der Freiburger Mediziner und Neurobiologe Joachim Bauer schreibt: "Lebende Organismen reagieren auf schwere und anhaltende Belastungen, denen sie durch ihre Umwelt ausgesetzt werden, mit einem kreativen Prozess der Selbstmodifikation ihres Genoms." So erhält die von strengen Darwinisten lange Zeit bekämpfte Lehre von Jean-Baptiste Lamarck im Nachhinein wieder eine gewisse Existenzberechtigung, während darwinstische Dogmen als Hemmschuh molekulargenetischer Forschung erscheinen. (Interessanterweise zitiert auch Sarrazin Joachim Bauer, aber lediglich, um die Bedeutung der Brutpflege zu unterstreichen. Gleichzeitig ignoriert er Bauers Kritik am Darwinismus.) Bauer betont: Es kommt bei der Entstehung und Fortentwicklung des Lebens weniger auf das bloße Vorhandensein, die Reproduktion und die Vermehrung bestimmter Molekülstrukturen beziehungsweise Codes an, sondern auf deren Kommunikation und Kooperation in der Zelle, im Gesamtorganismus sowie zwischen diesem und der Umwelt. Dadurch wird allerdings die auf den böhmischen Mönch Gregor Mendel zurückgehende klassische Vererbungslehre nicht hinfällig. Es gibt tatsächlich einige Erbkrankheiten, die sich gemäß der Mendelschen Regeln ausbreiten und daher durch Verzicht auf Fortpflanzung vermieden werden können.

Allerdings hat die Vorsorge gegenüber erblichen Gebrechen nach christlicher Auffassung moralische Grenzen. Die katholische Kirche hat sich immer scharf gegen Vorsorgemaßnahmen gewandt, die über das auch religiös begründete Verbot von Inzest und Verwandtenehe hinausgehen. Sie hat sich als einzige Institution von Weltbedeutung gegen die im 20. Jahrhundert von roten und braunen Sozialdemokraten in aller Welt eifrig propagierte Eugenik, gegen die Züchtung des Einheitsmenschen durch gezielte Vernichtung vermeintlich „lebensunwerten“ Lebens (Euthanasie) ausgesprochen. Denn auch ein Leben mit Defiziten kann nach christlicher Auffassung durchaus sinn- und würdevoll sein. Im Lichte der seit der Französischen Revolution verbreiteten antichristlichen Gleichheitsideologie hingegen erscheinen Erbkrankheiten und Behinderungen in erster Linie als ein Ärgernis, das es aus der Welt zu schaffen gilt.

Von daher verwundert es schon sehr, dass der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel seinem (Noch-)Parteigenossen Sarrazin nun ein „fatales menschenverachtendes Menschenbild“ unterstellt. Eher könnte man das doch wohl von jenen Juristen und Politikern sagen, die vor wenigen Wochen in der Debatte um das Urteil des Bundesgerichtshofs über die Präimplantationsdiagnostik (PID) leichtfertig für die Menschenzüchtung plädiert haben. Es ist wahr, dass angesichts neuer technischer Möglichkeiten wie der PID heute auch viele Christen nicht mehr davor zurückschrecken, selbst Schöpfer zu spielen. Die Debatte darüber sollte nicht voreilig beendet werden, zumal der Mensch, was das Antlitz der Erde angeht, ohnehin längst zum Mitschöpfer oder zumindest zum Mitgestalter geworden ist.

Für das hier im Vordergrund stehende Problem der Ausbreitung von Dummheit ist diese Debatte aber von untergeordneter Bedeutung, denn es steht seit längerem außer Frage, dass Dummheit, d.h. das Denken und Handeln wider die eigenen Lebensinteressen, mit Intelligenz wenig zu tun hat. Intelligenzunterschiede sind tatsächlich in hohem Maße erblich bedingt. Dummheit hingegen verbreitet sich durch Ansteckung in Kollektiven, nicht durch individuelle Vererbung. Darauf hat schon der hier bereits zitierte evangelische Theologe und Märtyrer des antinazistischen Widerstandes Dietrich Bonhoeffer in seinen aus dem Gefängnis geschmuggelten Briefen hingewiesen. Er schrieb: „Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind. (…) Dabei gewinnt man weniger den Eindruck, daß die Dummheit ein angeborener Defekt ist, als daß unter bestimmten Umständen die Menschen dumm gemacht werden, bzw. sich dumm machen lassen. Wir beobachten weiterhin, daß abgeschlossen und einsam lebende Menschen diesen Defekt seltener zeigen als zur Gesellung neigende oder verurteilte Menschen und Menschengruppen.“ Auch geistig beschränkte Menschen können, sofern sie sich dessen bewusst sind, durchaus klug denken und handeln. Denn Mittel der Wahl gegen die Dummheit sind weder die Menschenzüchtung noch die Verkleinerung von Schulklassen oder ähnliche gut gemeinte sozialstaatliche Fürsorgemaßnahmen, sondern die Gottesfurcht. So steht es in der Bibel (Psalm 111, 10). Das Bibelwort, die Furcht Gottes sei der Anfang der Weisheit, besagt nach Bonhoeffer, „daß die innere Befreiung des Menschen zum verantwortlichen Leben vor Gott die einzige wirkliche Überwindung der Dummheit ist.“
Bildungs- und neuerungsfeindliche patriarchalische Clanstrukturen, die durch unqualifizierte Zuwanderung in den christlich-personalistisch geprägten abendländischen Kulturkreis transplantiert werden, erscheinen in diesem Licht als die größte Gefahr für das intellektuelle Niveau Europas. Diese Gefahr wird durch die bei uns herrschende linke Gleichheitsideologie potenziert. Denn diese besitzt seit ihren Anfängen eine große Affinität zur kollektivistischen bzw. tribalistischen Mentalität muslimischer Einwanderer aus Anatolien. Wie der Fall Sarrazin zeigt, hat linkes Stammesdenken inzwischen die politische Klasse Deutschlands zur zweiten Parallelgesellschaft neben der muslimischen gemacht. Mit der Wahl, mehr auf die Dummheit als auf die innere Selbständigkeit ihrer Wähler zu setzen, tun sich unsere Berufspolitiker aber wohl keinen Gefallen. FAZ-Herausgeber Berthold Kohler sagt deutlich, was unseren „Volksparteien“ droht: „Wenn die „Volksparteien“ die von Sarrazin aufgegriffenen Sorgen und Ängste nicht schnell ernstnehmen, werden die sich andere Fürsprecher suchen, deren Mäuler sich nicht mit einem Antrag beim Bundespräsidenten stopfen lassen.“

 Internet:
SPD-Parteiausschlussverfahren: Ein „menschenverachtendes Menschenbild“
Der Fall Sarrazin: Eine Staatsaffäre
Elisabeth Stern: Jeder kann das große Los ziehen
Gabriels Sternstunde nach Sarrazins Abgang

Literatur:
Thilo Sarrazin: Deutschland schafft sich ab
Joachim Bauer: Das kooperative Gen. Abschied vom Darwinismus.
Ders.: Das Gedächtnis des Körpers. Wie Beziehungen und Lebensstile unsere Gene steuern
Dietrich Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft

Unsere kluge Hündin Thia sucht den Schatten.

2 Kommentare:

  1. Ich finde die Thesen von Sarrazin bescheuert. Er setzt Intelligenz mit Klugheit gleich. Zudem operiert er mit aggregierten Daten, da kann man jede nur erdenkliche Hypothese aufstellen. Gibt es denn beispielsweise eine einheitliche Gruppe von muslimischen Einwanderern? Never. Sind die Ostdeutschen dümmer als die Westdeutschen? Grundlage der Aussagen von S.: IQ-Tests der Bundeswehr - lächerlich. Siehe auch: http://gunnarsohn.wordpress.com/2010/09/02/sarrazin-sieht-die-baume-vor-lauter-wald-nicht/

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  2. Oh, man kann nicht verlinken in der Kommentarspalte. Nicht gut.

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