Europas Aufstieg
gründet nicht auf Menschenrechten
Von Edgar Ludwig Gärtner
Angebliche Freunde Europas sind dabei, die letzten 3.500 Jahre der menschlichen
Entwicklung umzuschreiben. Diese Umdeutung der Geistesgeschichte zielt vor
allem darauf ab, die Ur- oder Erbsünde des Menschen, die spätestens seit
Augustinus zum festen Bestandteil des abendländischen Menschenbildes gehört,
vergessen zu machen – wohl, um damit den massenhaft anstürmenden Zuwanderern
islamischen Glaubens entgegenzukommen. Denn im Islam gilt der Mensch von Geburt
an als Allah unterworfen und daher unschuldig. Wer von der Existenz der Ursünde
ausgeht, erkennt hingegen die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen an. Und das
ist für einen gläubigen Muslim unvorstellbar. Um Missverständnisse zu
vermeiden: Es geht im Folgenden weniger um die Gnade des christlichen Glaubens,
zu der vermutlich immer nur eine Minderheit Zugang finden wird, sondern um die breite
christliche Kultur. Darin gilt der Mensch nicht als unschuldige „blonde Bestie“,
sondern als fehlbar, dem Bösen zugeneigt, unfähig, aus sich heraus das Gute zu
tun, wenngleich grundsätzlich zum Erhabenen befähigt. (Ich gehe hier zunächst nicht
auf die Perversion dieses selbstkritischen Menschenbildes durch die
Kultivierung von Schuldkomplexen ein.)
Allerdings hat sich bereits die französische Aufklärung von
diesem Menschenbild abgewandt, indem sie zunehmend die Realität des Bösen
leugnete. Nach dem neuen politisch-korrekten Narrativ beginnt die europäische
Kultur nicht mit der Christianisierung der Franken und der späteren Übernahme
des römischen Rechts sowie der griechischen Philosophie, sondern mit der am 26.
August 1789 durch die französische Nationalversammlung verabschiedeten
Allgemeinen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Es war der aus dem
französischen Zentralmassiv stammende Marquis de Lafayette, ein im
amerikanischen Unabhängigkeitskrieg zu Ruhm gelangter militärischer Führer, der
1789 als Mitglied der französischen Generalstände der Nationalversammlung einen
auf der Virgina Bill of Rights von 1776 und der noch älteren englischen Bill of
Rights sowie den politischen Philosophien von Montesquieu und Rousseau fußenden
Entwurf der Allgemeinen Menschenrechterklärung vorlegte – und das
selbstverständlich in bester Absicht.